Überschüssige Milchprodukte aus der EU landen unter anderem auch in afrikanischen Ladenregalen (Foto: imago)

Deutsche Milch zu afrikanischen Preisen?

Interview mit Lebensmittelökonom Markus Mau

04.04.2017

In Afrikas Kühlregalen stehen europäische Milchprodukte zu Billigpreisen. Denn Europas Landwirte melken mehr als die Verbraucher konsumieren. Die Überschüsse gehen in den Export. Ein fataler Fehler, meint Wirtschaftsexperte Markus Mau nach dem Krisenjahr 2016 in unserem Interview.

Von Julia Romlewski

In der EU wird seit Jahrzehnten zu viel Milch produziert. Was passiert mit der überschüssigen Milch?  
Markus Mau: Die geht in haltbarer Form in den Export. Als Käse vor allem in europäische Nachbarländer und als Milchpulver in die arabischen Länder und nach Afrika. In Länder also, wo die Milchproduktion traditionell noch nicht so ausgeprägt ist. Und China ist auch ein wichtiger Markt, weil dort die Nachfrage größer ist als das inländische Angebot.

Auch deutsche Molkereien setzen auf den Export von Milchpulver – etwa nach Afrika. In Kamerun zum Beispiel ist ein Importjoghurt billiger zu haben ist als ein einheimischer Joghurt. Milch made in Germany zu afrikanischen Preisen - wie kann sich das rechnen?  
Mau: Das liegt am günstigen Export von Milchpulver. Das haltbare Milchpulver wird nach Afrika gekarrt und erst vor Ort zu Joghurt oder Trinkmilch weiterverarbeitet. Mit Frischmilch oder H-Milch im Karton würde das kaum gehen. Das wäre zu aufwändig, und der Transport viel zu teuer. Oft wird das Milchpulver auch noch mit billigen Pflanzenölen gemischt.   

Sind das nicht trotzdem Mini-Margen?   
Mau: Es lohnt sich auf jeden Fall. Auch wenn die Gewinne klein sind, durch die Mengen addiert sich das. Es wird ja auch nicht speziell für Afrika produziert. Milchpulverexporte sind einfach ein Weg, Überschüsse loszuwerden. Eigentlich eine Notlösung. 

Zur Person






Markus Mau ist Professor für Betriebswirtschaft mit starkem Agrar- und Ernährungshintergrund. Zuvor abeitete er in der Lebensmittelindustrie und im Lebensmittelhandel. Er lehrt und forscht international.


Was für Folgen hat der Import von billigem Milchpulver für den afrikanischen Markt und die Bauern dort?   
Mau: Die afrikanischen Landwirte, die meistens noch von Hand melken, werden systematisch vom Markt verdrängt, durch schön aufbereitete europäische Milchprodukte. Sie können mit der subventionierten EU-Massenware einfach nicht mithalten. Durch diese Exporte zerstören wir die Lebensgrundlage vieler Bauern in Afrika.   

Und gleichzeitig überleben viele Landwirte bei uns nicht, weil sie zu wenig für ihre Milch bekommen. Kann denn ein deutscher Bauer überhaupt zu Weltmarktpreisen produzieren?   
Mau: Nein, unsere Produktionskosten sind einfach zu hoch. Ein deutscher Landwirt kann nicht der Günstigste am Weltmarkt sein. Und Milch ist ja ein Rohstoff, den fast jeder herstellen kann. Dazu braucht man kein deutsches Know-how. Exportorientierung sollte auch nicht das Ziel sein. Wir brauchen einen ordentlichen Preis für die Landwirte im eigenen Land. Als klar war, dass die Milchquote in der EU 2015 wegfallen würde, wurden die deutschen Landwirte motiviert, ihre Ställe auszubauen und für den Weltmarkt zu produzieren. Das war ein fataler Fehler.   

China ist auch ein wichtiger Milchpulverimporteur. Wie sieht es da aus?
Mau: Die Chinesen trinken zwar nicht so viel Milch wie wir. Trotzdem ist China zahlenmäßig sehr interessant. Der Milchmarkt dort ist nicht so gut entwickelt, und viele Chinesen haben nach mehreren Milchskandalen das Vertrauen in chinesische Milch verloren. Importe aus Europa stehen deshalb hoch im Kurs. Gut verdienende Chinesen sind bereit, 3,50 Euro für einen Liter zu bezahlen. Die Bedingungen sind also ganz anders als in Afrika. Aber die chinesische Nachfrage schwankt stark. Darauf kann man sich nicht verlassen. Außerdem können die Neuseeländer günstiger liefern.  

Früher gab es Butterberge und Milchseen. Heute lagert tonnenweise Milchpulver in den sogenannten EU-Interventionslagern. Was hat es damit auf sich?    
Mau: Um zu verhindern, dass der Milchpreis noch weiter runter geht, wird zur Preisabsicherung Milchpulver aufgekauft und einlagert. 2016 hat man von dieser Maßnahme Gebrauch gemacht. Eigentlich wollte man die Vorräte langsam wieder abbauen. Aber da haben die Landwirte protestiert. Sie haben Angst, dass dann die Preise gleich wieder absacken, wenn zusätzliches Milchpulver auf den Markt kommt.  

Könnte es passieren, dass uns mal ein ähnliches Schicksal ereilt wie Kamerun und wir von importiertem Milchpulver abhängig werden?
Mau: Nein. Das Höfesterben führt ja nicht dazu, dass weniger gemolken wird. Aber die verbleibenden Betriebe werden immer größer. Durchrationalisierte Großbetriebe mit sehr vielen Kühen kommen mit niedrigen Milchpreisen besser klar als kleine Bauern mit 24 Kühen. Die Frage ist, ob wir so eine Landwirtschaft wollen.    

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