Auf dem Gans-Gut zählen die schlauen Gänse zu den Lieblingstieren der Familie Kucka (Fotos: Familie Kucka)

Gans ganz öko

Resteverwerter, Unkrautbekämpfer und Schlauberger in einem

14.11.2016

Sie frisst Gras wie eine Kuh, verwertet Abfall wie ein Schwein, ist gesellig wie eine Ziege und wehrhaft wie ein Hund. Weil sie nur einmal im Jahr Eier legt, ist sie saisonal und zu Weihnachten schlachtreif. Das gilt auch für die männlichen Tiere: Auch sie werden aufgezogen. So öko kann nur die Gans sein.

Von Magdalena Fröhlich

Kurze Hosen sind tabu. Zu gefährlich. Denn wenn so einem Ganter mal etwas so ganz gar nicht passt, dann wird er zum Krokodil. "Dann schnappt er zu, lässt nicht mehr los, dreht und windet sich und kann dir dann schon ein Stück Fleisch herausreißen", erklärt Andreas Kucka. Der Bioland-Bauer muss es wissen: Rund 2.500 Gänse hält er auf seinem Hof in Schrebitz, rund 60 Kilometer südöstlich von Leipzig. Aber der Biolandwirt weiß, wie er sich verhalten muss, denn er beobachtet das Verhalten seiner Tiere schon seit über 30 Jahren. Nach der Wende war er 1991 Sachsens erster Biobauer. Und schon zuvor hat er die erste Abschlussarbeit an der Uni Halle über Ökolandbau geschrieben.

Bei Andreas Kucka und seine Frau Kerstin gelten seit 2002 die Bioland-Richtlinien

 

Für Kucka stehen zwei Dinge fest: Nachhaltige Landwirtschaft kann nur biologisch sein. Und zweitens: Gänse sind toll. Sie sind ein bisschen etwas von allem: vom Rind, vom Schwein, vom Hund und vom Geflügel. "Gänse sind das ökologischste Geflügel überhaupt", sagt er. "Anders als bei den meisten anderen Nutztieren, wie Hühnern, muss für Gänse kaum extra Futter angebaut werden."

Denn dort, wo das Getreide für die Hühner wächst, könnte man auch Getreide für Lebens- statt für Futtermittel anbauen. "Klar, wenn ein paar Hühner einfach so über den Hof laufen können, dann finden sie schon etwas, aber ansonsten steht ihr Futter in Konkurrenz zur menschlichen Ernährung."

Gänse dagegen fressen Gras. Und Körner. Und Schnecken. Und sogar Unkraut, wie Ampfer. Und das sogar samt Wurzel. Selbst auf einem Stoppelfeld können sie acht Wochen lang satt werden. Sie sind also nicht nur gute Resteverwerter, sondern auch Unkrautbekämpfer und ein vorzügliches Tier in der Fruchtfolge.
„Besonders gerne mögen sie auch Fallobst. Wenn auf den Streuobstwiesen wieder ein paar Birnen vom Baum fallen, ist das Geschnatter groß", erzählt der Bioland-Bauer.

 

Nur abends im Stall bekommen sie etwas Getreide. "Da finden sie ja kein Gras, deshalb bekommen sie hier Futter. Die Tiere fressen rund um die Uhr, die einen wachen und fressen, während andere schlafen. Dann wechseln sie sich ab", erklärt der Gänsehalter. Durch die hohe Grünfutteraufnahme ist auch ihr Fleisch – beispielsweise im Gegensatz zur Ente – sehr gesund. „Mich verwundert es schon, dass dieses tolle Geflügel so selten gehalten wird. In ganz Deutschland gibt es 158 Millionen Hühner, aber nur 330.000 Gänse“, erzählt Kucka.

"Gänse sind unglaublich schlau"

"Gänse sind außerdem unglaublich schlau", sagt Kucka. "Wenn sie ihren Bauern sehen, erkennen sie ihn sofort." Das war vor allem früher, das heißt vor über hundert Jahren wichtig. Da hatte so gut wie jedes Dorf einen Gänsehirten. "Der hat jeden Morgen die Gänse der Bauern abgeholt, auf die Wiesen oder Stoppelfelder gebracht und abends wussten die Gänse genau, wo sie die Herde verlassen und zu ihrem Hof abbiegen mussten", erklärt Kucka. "Die Tiere haben auch ein interessantes Sozialverhalten. Da gibt es keine Hackordnung, die ständig ausgefochten wird so wie bei den Hühnern. Zwar gibt es Tiere, die meistens vorne weggehen, oder der eine Ganter hat mehr Gänse als der andere, aber im Grunde halten sie zusammen. In der Natur leben sie oft zu tausenden."

Anders als bei Legehennen gibt es bei den Gänsen kein Männerproblem: Die komplette Herde wächst gemeinsam auf. Das Leben einer Gans verläuft dann in etwa so: Einmal im Jahr, für ein paar Monate von Mitte März bis Ende Juni zur Sonnwende, legen die Gänse Eier. Je nach Rasse verschieden viele. Die Gänse bei den Kuckas legen im Schnitt 30 Stück. Rund vier Wochen wird das Ei bebrütet, ehe sich ein Gössel durch die Schale pickt. Damit weder Fuchs noch Eule die Eier klauen können, sitzt nicht die Gans auf dem Nest, sondern die Eier kommen in eine Brüterei auf dem Hof, bis die Gössel schlüpfen.

 

Nicht nur der Gänse-Nachwuchs ist auf dem Hof gesichert, denn auch die drei Söhne der Kuckas leben dort mit ihren Familien

 

 

Die Gössel schlüpfen in der Brüterei aus dem Ei, damit sie vor Fressfeinden sicher sind

 

 

Jede Gans auf dem Hof legt im Schnitt 30 Eier pro Jahr. Zum Vergleich: Hühner legen etwa 300 Eier im Jahr

 

Dann beginnt nach ein paar Wochen, nach einer kurzen Zeit im Aufzuchtstall, ihr Leben auf den Weiden, ehe sie rund nach einem Dreivierteljahr, also zwischen November und Ende Dezember geschlachtet werden. "Gänsefleisch ist somit ein saisonales Produkt. Da die Tiere nicht das ganze Jahr über Eier legen, gibt es das Fleisch nur im Winter, denn dann sind die Tiere schlachtreif", so Kucka.

Ein artgerechtes Leben

Überhaupt unterscheidet sich das Leben einer Bio-Gans von dem einer konventionellen erheblich: "Da geht es nicht nur darum, dass Bio-Gänse Auslauf im Freien haben und ausschließlich Bio-Futter bekommen, vor allem das Thema Licht und Antibiotika sind wichtig", so Kucka. So würden konventionell gehaltene Gänse, die in der Regel nur in einem Stall leben, ausschließlich künstliches Licht sehen. "Ihnen wird ein kürzerer Jahresrhythmus vorgegaukelt, sodass sie statt einer zwei Legeperioden im Jahr haben. Das ergibt zwar nicht doppelt so viele, aber immerhin ein Drittel mehr Eier", sagt Kucka.

Bei dem Bioland-Bauer ist alles von Anfang bis zum Ende streng bio. Das gilt auch für seine Brüterei. Davon gibt es bundesweit kaum ein Dutzend, die das in Bio machen. Kucka war 1996 der erste, der es wagte. In der Brüterei muss der Landwirt das Ei so behandeln, wie es die Gans tun würde: Die Temperatur muss stimmen, es muss immer wieder gewendet werden. Kucka verzichtet auf schädliches Formaldehyd, um die Eier zu reinigen, nachdem er sie aus dem Nest geholt hat. Stattdessen verwendet er eine extrem verdünnte Essig-Flüssigkeit. So bleibt die natürliche Schutzschicht des Eis erhalten.

Kuckas Bioland-Küken bestellen Bio-Bauern aus ganz Deutschland, auf deren Höfen sie dann gemästet werden. Dass die Tiere einige Stunden auf einem LKW unterwegs sind, sei dabei kein Problem: "Die Küken haben die ersten 64 Stunden einen Dottersack, der sie ernährt. Egal ob im Stall oder beim Transport - in dieser Zeit würden sie kein anderes Futter oder Wasser zu sich nehmen“, erklärt Kucka. Heikel ist es nur ganz am Anfang – wenn man die Eier aus den Nestern nimmt. Dann heißt es: Achtung, bissige Gans!

 

Die Bio-Gänse der Kuckas können sich über Auslauf im Freien und Bio-Futter freuen

 

 

Extra Futter brauchen sie nicht. Sie finden überall noch ein leckeres Mahl

 

Mehr zu Geflügel

Kükentöten stoppen: Der Unterschied im Eierkarton

Die Diskussion um sinnloses Kükentöten ist allgegenwärtig – vor allem auf den Eierkartons im Supermarkt. Immer mehr Bildchen, Labels und Begriffe prangen auf den

Weiterlesen
Gans ehrlich - hättest du es gewusst?

Von der Martinsgans bis zum Federkissen: Wir haben 12 Fakten über Gänse für dich zusammengestellt. Oder wusstest du schon, dass sich Graugänse ein Leben lang treu

Weiterlesen
Bruderhahn im Römertopf

Bruderhähne haben etwas weniger auf den Rippen als klassische Masthähne, schmecken aber genau so gut. Wenn ihr noch auf der Suche nach einem Gericht für die

Weiterlesen