Ernährungspyramiden geben Tipps, wie man sich gesund ernähren kann

Iss was du willst! Oder?

So geht gesunde Ernährung

22.11.2018

Unser Hunger nach Infos rund ums Essen scheint unstillbar. Doch im Dschungel der vielfältigen Ansätze und Studien verliert man schnell den Überblick. Was ist denn jetzt wirklich gesund?

Von Marta Fröhlich

Wer sich gesund ernähren will, muss auch gut in Geometrie sein. Diesen Eindruck bekommt man zumindest beim Blick in zahlreiche gängige Ernährungsratgeber. Lauter Pyramiden, Kreise und Quadrate zeigen dem Leser, wie viel und wie wenig er von diesem und jenem essen soll. Dabei steht meist ein Gedanke im Mittelpunkt: Der Mensch ist gesund, wenn er nicht krank ist.
Unser heutiger Gesundheitsbegriff geht vor allem auf die Kriegszeiten zurück. In Zeiten, in denen Menschen mit Nährstoffen unterversorgt waren, entwickelte sich ein Denken, das vom Mangel herrührt. Im Fokus der gesunden Ernährung steht die Prävention von Krankheiten. Ein ausreichend mit Nährstoffen versorgter Mensch wird nicht krank, so die Annahme.

Verbrauchern fehlt es an Aufklärung

Für Anette Buyken, Professorin für Volksgesundheit und Ernährung an der Universität Paderborn, hängt gesunde Ernährung aber nicht nur von der Nährstoffmenge ab, sondern auch von sozialen, ökologischen, ökonomischen, aber auch kulturellen und ethischen Faktoren. Frauen zum Beispiel finden sich laut ihrer Forschung heute in einem Zwiespalt wieder: Auf der einen Seite stehen sie häufig noch vor dem gesellschaftlichen Anspruch gegenüber, sich um haushalt und Kinder zu kümmern, mehr unverarbeitete, frische Produkte auf den Tisch bringen. Andererseits gehen viele Mütter arbeiten, schaffen das Geld für den Haushalt ran, es fehlt die Zeit zum gemeinsamen Kochen und Essen.

Fastfood ersetzt immer häufiger Frischgekochtes

 

Unterdessen spaltet sich am Essen die Gesellschaft. Einerseits gerät Ernährung immer mehr zur Nebensache, der Abstand zwischen dem Lebensmittel und seiner Herkunft auf der einen und dem Verbraucher wird immer größer. Das Überangebot in unseren Supermärkten führt dazu, dass der Käufer immer häufiger zu stark verarbeiteten Produkten greift, die oft zu viel Zucker, zu viel Salz, zu viel Fett enthalten, jedoch billig sind.
Studien zeigen, dass sich vor allem Menschen mit einem niedrigeren Einkommen ungesünder ernähren. "Der Verzehr von Softdrinks ist in den unteren Schichten deutlich höher", berichtet Buyken. Andererseits fehlt es nicht an Aufklärung. Immer mehr Verbraucher suchen nach Antworten, beschäftigen sich stärker mit gesunder Ernährung. "Ernährung ist bei manchen fast zu einer Ersatzreligion mutiert", beobachtet Anette Buyken. Ob Fernsehköche oder Literatur im Netz, Informationen sind so leicht verfügbar wie nie.

 

"Das reicht aber nicht. Es genügt nicht, die Menschen mit Bildung auszustatten", kritisiert Buyken. Einerseits müssten die Verbraucher in der Lage sein, zu erkennen, wie wissenschaftlich basiert bestimmte Empfehlungen sind. Das ist jedoch nicht so einfach. "Wir können ja nicht erwarten, dass jeder jetzt zu einem Hobbyforscher wird." Es müsse deshalb darum gehen, gesamtgesellschaftliche Haltungen zu verändern und auch das gemeinsame Essen wieder zu fördern. Zum Beispiel indem Schulen und Kitas gesundes Essen kostenlos anbieten. Dafür bräuchte es eine Umverteilung des Geldes, damit Gesundheit kein sozio-ökonomisches Problem bleibt, so die Forscherin. Das würde auf Dauer zu einem anderen Bewusstsein gegenüber Ernährung in der Breite der Gesellschaft führen.

Gesundheit ist mehr als nur gesunde Ernährung

Doch Gesundheit ist heute mehr als nur gesunde Ernährung, sind sich Experten einig. "Einen frühzeitigen Tod stirbt derjenige, der sich schlecht ernährt, keinen Sport treibt, Übergewicht hat und raucht", sagt Ernährungswissenschaftler David Katz in einem Interview mit dem "Zeit Magazin". Für ihn geht es nicht um ästhetische Fragen, sondern klar um Gesundheit: "Gesund sein heißt: Ich fühle mich großartig. Ich habe Energie." Und dafür hat er ein einfaches Rezept: "Esst mehr Gemüse, esst Obst, esst Vollkornprodukte, keine Fertigessen, übertreibt's nicht mit Zucker, Fleisch und Milchprodukten. Das war's", so der Ernährungswissenschaftler im Interview.

Diese Empfehlung ergänzt sich auch gut mit Buykens Skepsis vor dem großen Alarmismus. Überfordert vom Angebot, suchen Verbraucher nach dem einen Grund fürs große Übel. Mal sind es Fette, mal Zucker, mal Salze. "Doch so einfach ist es eben nicht." Fragt man Experten, scheint die Wahrheit im Mittelmaß und im ganzheitlichen Lebensstil zu liegen. "Brokkoli ist zwar ein gesundes Gemüse, aber nur Brokkoli zu essen, ist auch nicht gesund", sagt Katz und warnt davor, nach der einen besten Ernährungsweise zu suchen. Buyken empfiehlt als grobe Marschrichtung die zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (siehe Kasten).
So einfach ist das? "So einfach ist das. Und morgen wird es auch noch wahr sein", betont Katz. Auch wenn dann Magazine und Verlage nichts mehr zu schreiben hätten.

Zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung

  1. Lebensmittelvielfalt genießen: Nutzen Sie die Lebensmittelvielfalt und essen Sie abwechslungsreich. Wählen Sie überwiegend pflanzliche Lebensmittel.

  2. Gemüse und Obst - nimm "5 am Tag": Genießen Sie mindestens 3 Portionen Gemüse (ca. 400 Gramm) und und 2 Portionen Obst (ca. 250 Gramm) am Tag. Zur bunten Auswahl gehören auch Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen und Bohnen sowie (ungesalzene) Nüsse.
     
  3. Vollkorn wählen: Bei Getreideprodukten wie Brot, Nudeln, Reis und Mehl ist die Vollkornvariante die beste Wahl für Ihre Gesundheit.
     
  4. Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzen: Essen Sie Milch und Milchprodukte wie Joghurt und Käse täglich, Fisch ein- bis zweimal pro Woche. Wenn Sie Fleisch essen, dann nicht mehr als 300 bis 600 Gramm pro Woche.
     
  5. Gesundheitsfördernde Fette nutzen: Bevorzugen Sie pflanzliche Öle wie beispielsweise Rapsöl und daraus hergestellte Streichfette. Vermeiden Sie versteckte Fette. Fett steckt oft "unsichtbar" in verarbeiteten Lebensmitteln wie Wurst, Gebäck, Süßwaren, Fastfood und Fertigprodukten.
     
  6. Zucker und Salz einsparen: Mit Zucker gesüßte Lebensmittel und Getränke sind nicht empfehlenswert. Vermeiden Sie diese möglichst und setzen Sie Zucker sparsam ein. Sparen Sie Salz und reduzieren Sie den Anteil salzreicher Lebensmittel. Würzen Sie kreativ mit Kräutern und Gewürzen.
     
  7. Am besten Wasser trinken: Trinken Sie rund 1,5 Liter jeden Tag. Am besten Wasser oder andere kalorienfreie Getränke wie ungesüßten Tee. Zuckergesüßte und alkoholische Getränke sind nicht empfehlenswert.
     
  8. Schonend zubereiten: Garen Sie Lebensmittel so lange wie nötig und so kurz wie möglich, mit wenig Wasser und wenig Fett. Vermeiden Sie beim Braten, Grillen, Backen und Frittieren das Verbrennen von Lebensmitteln.
     
  9. Achtsam essen und genießen: Gönnen Sie sich eine Pause für Ihre Mahlzeiten und lassen Sie sich Zeit beim Essen.
     
  10. Auf das Gewicht achten und in Bewegung bleiben: Vollwertige Ernährung und körperliche Aktivität gehören zusammen. Dabei ist nicht nur regelmäßiger Sport hilfreich, sondern auch ein aktiver Alltag, indem Sie zum Beispiel öfter zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren.

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