Gerade zu Beginn der Corona-Krise hatten Lebensmittelgeschäfte extrem viel zu tun (Foto: Sonja Herpich/Bioland)

Konjunktur im Lockdown

Der Handel boomt während der Corona-Krise

04.05.2020

Die Lebensmittelbranche gehört zu den Gewinnern der Corona-Krise. Läden kommen beim Auffüllen der Regale gar nicht mehr hinterher, Lieferdienste stoßen an ihre logistischen Grenzen. Auch beim Naturkostgroßhändler Rinklin hat die enorme Nachfrage einiges durcheinandergewirbelt. Die vorläufige Bilanz: seit dem Lockdown rund ein Drittel mehr Umsatz, 3500 Überstunden im März, ein neues Gemeinschaftsgefühl im Team und zu wenig Ingwer im Lager.

Von Désirée Thorn

"Es gibt keinen Menschen mit zu viel Lagerfläche", sagt Geschäftsführer Harald Rinklin. In Zeiten der Corona-Krise trifft diese Aussage wohl erst recht zu. Nicht nur die privaten Vorratsschränke platzten zwischenzeitlich aus allen Nähten, sondern auch die Lager der Lebensmittelhändler, die gerade die gestiegene Nachfrage bedienen müssen.
Mehl, Nudeln, passierte Tomaten – einige Grundlagen-Produkte wurden auch bei den Rinklins schnell knapp. Eier und Hefe mussten zum Teil rationiert werden. "Bei diesen Basics ist das schon nachvollziehbar", sagt Harald Rinklin. Im Fokus der Käufer stand aber noch ein anderes Produkt, das wohl eher nicht zu den Grundnahrungsmitteln zählt: Ingwer. "Scheinbar wollen viele Menschen damit ihr Immunsystem stärken."

Auch die drei geschäftsführenden Brüder Jochen, Armin und Harald Rinklin packen während der Krise im Lager mit an (Foto: Rinklin Naturkost GmbH)

 

Rund 12.000 Artikel zählen zum Sortiment von Rinklin Naturkost. Da kann es im Lager zwischenzeitlich schon mal eng werden. Aber: "Unser Nadelöhr ist der Fuhrpark", sagt Harald Rinklin. Für das Ostergeschäft wurden sogar alte Lkws reaktiviert und Speditionen beauftragt. So waren zum Schluss acht Laster mehr unterwegs als zur letzten Hochzeit an Weihnachten.

 

Die riesige Nachfrage nach Lebensmitteln ist für die Händler vom Kaiserstuhl durchaus eine Herausforderung. Vermutlich ist der Umsatz noch nie in einer solchen Geschwindigkeit in die Höhe geschossen – nicht mal während der beiden historischen Umsatzpeaks nach der Katastrophe in Tschernobyl und während der BSE-Krise.
Gemeinsam haben alle Krisen allerdings, dass das Interesse an möglichst regionalen Bioprodukten gewachsen ist. "Das Thema gewinnt an Relevanz. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen mehr über ihr Handeln nachdenken", sagt Rinklin. Besonders die regionalen Wertschöpfungsketten zahlen sich in der Krise aus. Schnell wurde nachgeliefert, der Zusammenhalt zwischen Erzeugern, Verarbeitern und Händlern sei richtig stark.

Ob sich der Aufwand lohnt, ist noch nicht klar

Mehr als 800 Kunden beliefert Naturkost Rinklin derzeit im Südwesten Deutschlands. Die meisten von ihnen haben gerade alle Hände voll zu tun. "Abobetriebe nehmen zum Teil schon gar keine Neukunden mehr an", weiß Harald Rinklin. Aber auch Modelle der solidarischen Landwirtschaft seien zurzeit besonders begehrt. Bei den Naturkostläden profitieren derzeit die Standorte, die man mit dem Auto anfahren kann. Die Läden in den Innenstädten leiden unter der Krise – ebenso wie natürlich die Gastronomie.
Rinklin ist froh, dass er sich im Gegensatz zu anderen Unternehmen keine Gedanken um Kurzarbeit oder gar Entlassungen machen muss. Aber: "Wir mussten unseren Mitarbeitern viel abverlangen." Viele Kollegen, die sonst im Büro sitzen, haben nun im Lager mitgeholfen – genauso wie die drei geschäftsführenden Brüder selbst und auch deren Eltern. "Es tut gut zu sehen, dass alle da sind, wenn es drauf ankommt. Der Teamgeist war enorm." 3500 Überstunden sind allein im März zusammengekommen. Und das obwohl 15 neue Kollegen eingestellt wurden.

Ob sich der ganze Aufwand für das Unternehmen auszahlt, steht allerdings noch nicht fest, denn: "Wer viel Umsatz macht, hat noch lang nichts dran verdient", sagt Harald Rinklin. Die neuen Mitarbeiter müssten erst angelernt werden, und der Platzmangel im Lager sorgt dafür, dass einzelne Arbeitsschritte aufwendiger werden. "Wir werden erst zum Schluss sehen, wie sich die Krise wirtschaftlich auswirkt. Aber im Hinblick auf die vielen Unternehmen, die um ihre Existenz bangen, ist unsere aktuelle Stresssituation auf jeden Fall die wünschenswertere Variante."

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