Worin sich die Eier im Supermarktregal wirklich unterscheiden, ist für Verbraucher trotz oder gerade wegen der vielen Labels auf den Kartons schwer erkennbar (Foto: imago)

Der Unterschied im Eierkarton

Wie kann das Kükentöten gestoppt werden?

09.04.2020

Die Diskussion um sinnloses Kükentöten ist allgegenwärtig – vor allem auf den Eierkartons im Supermarkt. Immer mehr Bildchen, Labels und Begriffe prangen auf den Schachteln – und kaum einer blickt mehr durch, für was sie wirklich stehen. Wer denkt schon, dass für Eier "ohne Kükentöten" trotzdem männliche Embryonen getötet werden? Und worin unterscheiden sich überhaupt "Bruderhahn" und "Zweinutzungshuhn"? Ein Überblick.

Von Désirée Thorn

Rund 45 Millionen männliche Küken werden jährlich in Deutschland getötet. Wieso? Hühner werden in der Regel entweder so gezüchtet, dass sie möglichst viel Fleisch ansetzen, oder aber dass sie möglichst viele Eier legen. Da die Brüder der Legehennen weder Eier legen noch schnell gemästet werden können, werden sie meistens bereits in den Brütereien getötet.

 

Bei der Ökologischen Tierzucht gGmbh werden alle Küken großgezogen - ganz egal ob männlich oder weiblich. Das ist aber bislang leider die Ausnahme (Foto: Ökologische Tierzucht gGmbH)

 

Viele Menschen fordern ein Ende des Kükentötens, und auch die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass ab 2022 keine geschlüpften Küken mehr vernichtet werden dürfen. Schon jetzt greifen immer mehr Kunden zu Eierkartons, auf denen mit Begriffen wie "ohne Kükentöten" oder "Bruderhahn" geworben wird. Aber wo genau liegen die Unterschiede?

Vielzahl an Labels macht es den Verbrauchern schwer

"Die Transparenz im Eiermarkt hat sich aus Sicht der Verbraucherzentrale nicht wirklich verbessert", erklärt Susanne Umbach, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Die Kunden seien zwar immer häufiger dazu bereit, mehr Geld für mehr Tierwohl auszugeben, aber: Auf den Verpackungen geht's bunt zu. Immer mehr neue Labels machen es den Verbrauchern schwer, eindeutig auf einen Blick zu erkennen, was dahintersteckt."

"Ohne Kükentöten" – das hört sich erst einmal nach durchweg glücklichen Hähnen an, die neben ihren Schwestern aufwachsen dürfen. So ist es aber nicht. Die männlichen Tiere werden hier weiterhin aussortiert und getötet. Nur eben BEVOR sie aus dem Ei geschlüpft sind. "Was auf den ersten Blick nach Tierwohl klingt, ist in Wahrheit ein Kükentöten in anderem Gewand", erklärt Bioland-Vizepräsidentin Stephanie Strotdrees, die selbst auf ihrem Hof Hühner hält.

Nach circa zehn Tagen ist der Embryo im Ei schon weit entwickelt. Die inneren Organe sind fast vollständig ausgebildet und der Körper ist schon deutlich zu erkennen (Foto: imago)

 

"Nur wirklich interessierte und informierte Menschen erkennen, dass es sich hier um Verfahren der Geschlechtsfrüherkennung handelt", erklärt Ernährungsexpertin Susanne Umbach. Es gibt unterschiedliche Methoden, mit denen man herausfinden kann, welches Geschlecht das Küken im Ei hat. Bislang wird nur eine von ihnen in der Praxis angewandt: das endokrinologische Verfahren. Dabei wird am 9. Bruttag die Eierschale mit einer Nadel durchstochen, Flüssigkeit aus dem Ei entnommen und untersucht. Ein Schnelltest gibt an, welches Geschlecht der Embryo im Ei hat. Die Eier, in denen männliche Tiere stecken, werden aussortiert und zu Futtermitteln weiterverarbeitet. Dabei ist der Embryo zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich weit entwickelt. Der Kopf und die inneren Organe sind fast vollständig ausgebildet, und das Küken kann bereits Schmerzen empfinden.

 

"All die Verfahren verlagern das Problem nur, anstatt es zu lösen", sagt Stephanie Strotdrees. Bioland und Demeter haben sich deshalb in einer gemeinsamen Presseerklärung deutlich gegen die aktuell verfügbaren Methoden zur Früherkennung im Ei ausgesprochen. Die derzeit einzige verantwortungsbewusste Alternative für die beiden Ökoverbände? Die Aufzucht der Hähne.

Initiativen setzen sich für Bruderhähne ein

Seit rund 10 Jahren treten einige Initiativen dafür ein, die Brüder der Legehennen als sogenannte Bruderhähne aufzuziehen und zu mästen. Die bekanntesten Initiativen in Deutschland sind die Bruderhahninitiative Deutschland (BID) im Norden und der „Stolze Gockel“ von Peter Schubert im Süden. In beiden Projekten werden die Hähne 18 bis 20 Wochen gemästet statt sonst etwa 12 Wochen. Mittlerweile gibt es eine breite Palette an Bruderhahn-Produkten wie Fertiggerichte im Glas, Tiefkühlwaren oder Wurst.

In beiden Projekten wird die Mast der Hähne durch einen Zuschlag auf die Eier von rund 4 Cent pro Ei subventioniert. Der Verkauf der Fleischprodukte erfolgt in der Regel über die gleichen Wege wie der Verkauf der Eier. Verkaufsstellen der Bruderhahn-Initiative gibt's unter www.bruderhahn.de/haendlerliste. Neben den Bruderhahn-Produkten im Handel bieten immer mehr direktvermarktende Legehennen-Halter ganze Hähnchen und Teilstücke in ihren Hofläden und im Naturkosthandel an.

 

Zweinutzungshühner setzen genügend Fleisch an, legen aber auch ausreichend viele Eier (Foto: Ökolgische Tierzucht gGmbH)

 

Einen Schritt weiter geht der Einsatz von Zweinutzungshühnern. Die weiblichen Tiere werden als Legehennen gehalten und sorgen für genügend Eier, während ihre männlichen Brüder genügend Fleisch ansetzen, um in der Mast eingesetzt werden zu können. Um die Zucht solcher "Ökohühner der Zukunft" voranzutreiben, haben Bioland und Demeter 2015 die Ökologische Tierzucht (ÖTZ) gegründet. Die Zweinutzungshühner sorgen nicht nur dafür, dass keine Küken mehr sterben müssen, sie sind auch robuster, leben länger und vertragen heimisches Bio-Futter besser, sodass keine Futtermittel importiert werden müssen. Außerdem profitieren auch die Landwirte. Sie sind unabhängig von großen Zuchtkonzernen und können ihre Küken selbst – ohne technologischen Aufwand – großziehen. "Aus unserer Sicht gehört den Zweinutzungshühnern die Zukunft", sagt auch Susanne Umbach.

Beim Eierkauf auf Haltungsbedingungen achten

Doch Bruderhahn ist nicht gleich Bruderhahn. Denn auch im konventionellen Bereich gibt es inzwischen Bruderhahn-Projekte. Neben dem Thema "Kükentöten" müssen aber nach wie vor auch die Haltungsbedingungen betrachtet werden. Bei Bioland haben Hühner viel Platz, frische Luft und Auslauf im Grünen, können in Ruhe Eier legen, scharren und picken, bekommen gutes Bio-Futter, und der Einsatz von Medikamenten ist stark reglementiert.

Verbraucher sollten beim Eierkauf auch weiterhin darauf achten, wie die Hühner gehalten werden (Foto: Bioland/Sonja Herpich)

 

Doch wie können Kunden schnell erkennen, was wirklich in den Eierkartons steckt? "Das gesamte Sortiment an tierischen Lebensmitteln ist in puncto Tierhaltung und Tierwohl sehr erklärungsintensiv", weiß die Ernährungsexpertin. Einheitliche Kriterien und Kennzeichen seien notwendig. "Aber das ist eine utopische Forderung, wegen der großen Konkurrenz am Markt." Anbieter müssten die Qualitätsunterschiede nachvollziehbar und einfach verständlich herausstellen. Denn: " Wer keine transparente Information bekommt, lässt sich eher vom Preis leiten." Wer sichergehen will, dass die männlichen Tiere nicht getötet, sondern aufgezogen und zu wertvollen Lebensmitteln verarbeitet werden, müsse aktiv auf Bruderhahn-Kennzeichnungen achten.

 

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