Jeder darf heute Eis schlecken - auch der kleine Mann (Foto: Imago)

Make Speiseeis great again!

Wie die Eiscreme es bis ganz nach unten schaffte

10.07.2018

Eis galt über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende als wohlschmeckende Edelspeise, die großes Handwerk erfordert. Bis jemand auf die absurde Idee kam, es auch dem Pöbel darzureichen.

Von Marta Fröhlich

Was war das Eis einst für eine feudale Speise?! Ob Alexander der Große, der Kaiser von China oder George Washington - sie alle schleckten vornehm an einer Kugel herum oder verspeisten sie eher mit blank geputztem Silberlöffel. Und wenn der Besucher des Teilens würdig war und sich benahm, bekam er sogar etwas ab. Die römischen Kaiser ließen sich das kostbare Gletschereis von Stafettenläufern aus den Alpen herbeibringen, und selbst Ludwig XIV. ließ in seinem Café am Hofe den illustren Gästen Speiseeis kredenzen.
Auf den Tisch kamen nur feinste Sorten mit Honig, Rosenwasser, frischer Erdbeere, wenn's hoch kam. Die besten Eismacher Italiens wurden zu Hofe gerufen, um das anspruchsvolle Publikum zu verwöhnen. Speiseeis gehörte lange Jahre zum Establishment wie der abgespreizte kleine Finger.

Bis - ja - bis 1843 eine Nancy Johnson - US-Amerikanerin, welch Skandal! - die erste patentierte Eismaschine erfand und eine Lawine lostrat. Nun stand sich der Pöbel zu Dutzenden vor den Eisdielen, die wie Pilze aus dem Boden schossen, die Beine in den leeren Bauch, um endlich auch mal von der verführerischen Süßigkeit probieren zu dürfen. Gierig schleckte der kleine Mann das einst so exklusive Naschwerk aus blassen Waffelhörnchen, leckte den allerletzten Tropfen sogar noch vom Finger. Dem Eiswahnsinn war kein Einhalt mehr zu gebieten.

Wo diese zügellose Schlemmerei hinführt, sieht man heute in den engen Gassen im Prenzlauer Berg, jenem Teil der Hauptstadt, den man gern die Hipster-Hochburg nennt. Ohne Respekt vor italienischem Handwerk wird dort Petersilie-Soja-Eis mit Meersalz-Topping in welke Avocadoschalen abgefüllt, Detox-Eis aus Sellerie, Spinat und kaltem Kaffee aus dem Thermomix verteilt, ja sogar dem sabbernden Fiffi im Gucci-Mantel Leberwursteis gereicht.

Wo sind wir nur hingekommen? Fürst Hermann von Pückler-Muskau, Namensvater des schlichten, aber nicht minder wohlschmeckenden Klassikers aus Erdbeer, Schoko und Vanille, würde sich im Grabe rumdrehen, käme ihm zu Ohren, was aus dem einstigen Nobelhappen geworden ist. Nur eines würde ihn wohl noch trösten können: dass der Sonnenkönig des 21. Jahrhunderts, US-Präsident Donald Trump, Speiseeis wieder zu dem erhebt, was es einst sein sollte - ein Instrument der Macht. Schließlich bekommen Trumps Besucher in alter Tradition des Weißen Hauses auch eine Kugel Eis zum Nachtisch - Trump jedoch zwei.

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