Was Lucia (links) und Marlene Gruber ausmacht: Lebensfreude, Offenheit, Kreativität und natürlich: ganz viel Mut (Foto: Christoph Preimesser)

Ehrlichkeit rocks!

Mutmacher: Wie sich zwei Einsteigerinnen über die sozialen Medien vernetzen

14.09.2020

Vor vier Jahren stellten die Schwestern Lucia und Marlene Gruber den väterlichen Betrieb auf bio um. Obwohl sie sich ihren beruflichen Werdegang ursprünglich ganz anders vorgestellt hatten, betreiben sie den Biohof Gruber Schöfthal inzwischen mit voller Leidenschaft. Seit den ersten Tagen nutzen sie dazu außergewöhnliche Werkzeuge, die sie bis heute erfolgreich einsetzen: die sozialen Medien.

Von Isabella Jenicek

Zum Biohof Gruber Schöfthal im niederbayerischen Rohr führt eine wunderschöne Allee, deren Bäume einen kühlen Schatten werfen. Auf dem Hof, der seit über 300 Jahren in Familienbesitz ist, stehen Scheunen und das Wohnhaus – umgeben von insgesamt 90 Hektar Acker und Wald. Im Garten gibt es Gemüse für den Eigenbedarf und Obstbäume. Die frische Luft, das Grün vor der Nase und das Gefühl von Freiheit schätzen Lucia und Marlene Gruber so sehr, dass es sie nach ihrem Studium zurück in die Heimat zog.

Vater Rupert unterstützte seine Töchter von Anfang an und auch heute noch sehr gerne (Foto: Biohof Gruber Schöfthal)

 

Vor vier Jahren entschieden sich die beiden Schwestern dazu, gemeinsam den Hof zu übernehmen. Sie gründeten eine GbR, an die ihr Vater Rupert den Hof verpachtet. So konnten sie sich langsam in den Arbeitsalltag, die Zusammenarbeit miteinander und die Verantwortung einfinden. Dabei wurden und werden sie vom Vater stets unterstützt – auch bei der Entscheidung, im Jahr 2017 auf bio umzustellen und sich dem Anbauverband Bioland anzuschließen. Für alle drei ein bis dahin eher unbekanntes Feld. Die fehlenden Methoden und Kenntnisse kompensieren die Schwestern durch den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Bioland sowie über die sozialen Netzwerke.

Während der Umstellungszeit kam Lucia und Marlene die Idee, diese spannende Phase über die sozialen Medien zu begleiten. „Wir haben uns einfach gedacht, dass es ganz interessant für Leute in unserem Alter und in unserem Umfeld sein kann“, erinnert sich Lucia. Ohne groß angelegtes Konzept, sondern ehrlich und aus dem Alltag heraus bespielen sie seither YouTube, Facebook und Instagram.

 

Von der Arbeit auf dem Acker und im Forst über Rezepte bis hin zu Events auf dem Hof ist alles dabei. Sie erzählen Anekdoten, geben Tipps und berichten von Erfolgen sowie Misserfolgen, die sie als einsteigende und lernende Landwirtinnen erleben. „Wir wollen nach außen tragen, was es eigentlich bedeutet, einen Betrieb ökologisch zu bewirtschaften. Was sind die Probleme? Was sind die schönen Seiten? Darüber möchten wir offen sprechen. Denn auch wenn mal was nicht so gut läuft, bringt uns das ja nicht gleich um. Und diese Offenheit kommt gut an“, resümiert Lucia die Inhalte. Eine bestimmte Zielgruppe haben die beiden dabei nicht im Sinn: Sie sprechen sowohl Verbraucherinnen und Verbraucher als auch andere Landwirtinnen und Landwirte an.
 

 

In den sozialen Medien zeigen sie, was sie anbauen: Weizen, Roggen, Erbse und Braugerste für Bio(land)-Bier sowie dieses Jahr erstmalig Zuckerrübe und Lein. Kleegras und Luzerne runden als Leguminosen die Fruchtfolge ab (Foto: Biohof Gruber Schöfthal)

 

 

Von ihren Erlebnissen und den Ereignissen aus dem Forstbereich berichten sie natürlich ebenfalls (Foto: Biohof Gruber Schöfthal)

 

 

Ehrlich, humorvoll und ohne Scheu, von unerwünschten "Gästen" zu berichten: Lucia im Kampf gegen Flughafer in der Braugerste (Foto: Biohof Gruber Schöfthal)

 

 

Pfiffige Ideen sorgen für Gewimmel auf dem Hof: Über Instagram und Facebook kündigen sie auch neuartige Veranstaltungen wie Bücher- und Kleidertausch sowie Führungen an (Foto: Biohof Gruber Schöfthal)

 

Marlenes und Lucias Tipp: „Ein Thema oder eine Person wirklich kennenzulernen, ist viel interessanter als eine aufgebaute Fassade. Stellt Eure Arbeit so dar, wie sie ist - mit all ihren Schwächen und Fehlern. Das ist nicht nur ehrlicher und näher an der Realität, sondern auch deutlich einfacher.“

Über die Schwestern

Lucia (links) und Marlene arbeiten beide zusätzlich noch bei anderen Arbeitgebern (Foto: Biohof Gruber Schöfthal)







Lucia (26) hat ihren Bachelor in Forstwissenschaften und Ressourcenmanagement und ihren Master in Agrarökologie absolviert. Ihr zweites berufliches Standbein hat sie beim Landschaftspflegeverband in Kelheim.



Marlene (30) studierte Betriebswirtschaftslehre, machte ihren Master im Fach Nachwachsende Rohstoffe und promovierte im Themenbereich Energiewirtschaft. Neben der Arbeit auf dem Hof ist sie beim örtlichen Wasserversorger angestellt.


Was die beiden an den sozialen Medien besonders schätzen, ist der Austausch und die Vernetzung mit anderen Menschen. „Wenn wir etwas Neues ausprobieren wollen, brauchen wir Informationen. Für uns war und ist es immer noch sehr interessant, Einblicke in andere Höfe zu bekommen, zu sehen, wie sie es machen, und das ein oder andere von ihnen zu lernen. Auch wir wollen gerne unsere Erfahrungen teilen“, erklärt Marlene.

Zu ihrer Überraschung haben die sozialen Medien auch zu neuen Absatzwegen für ihre Produkte geführt. Bestes Beispiel ist das Leinöl, dessen Entstehungsprozess sie geteilt haben. Neben konkreten Bestellungen von Privatpersonen wurden sie sogar von einer Händlerin über Instagram angeschrieben. „Sie bezieht nun unser Öl und es läuft ziemlich gut mit ihr“, gibt Marlene als Beispiel. „Auch andere Kooperationen sind über die verschiedenen Kanäle entstanden. Es ist richtig schön, andere Landwirte und vor allem junge Unternehmerinnen kennenzulernen und sich gegenseitig zu unterstützen“, ergänzt Lucia.

Wie viel Aufwand steckt dahinter?

 

Grafik: Meike Fredrich

 

Übrigens: Alle ihre Videos werden in einem Rutsch aufgenommen und nachträglich nicht mehr geschnitten. „Wenn etwas schief geht, dann laden wir es entweder trotzdem hoch oder es geht von vorne los“, sagt Marlene.

Dabei lassen sie sich nicht beim Posten unter Druck setzen: „Wenn es mal nichts zu posten gibt, machen wir uns keinen Stress“, sagt Lucia. „Manchmal hat man mehr Zeit, manchmal weniger. Aber wir sind ja niemandem verpflichtet“, ergänzt Marlene.

Unkraut trifft Zuckerrübe

In 449 Stunden und mit vereinter Kraft zum Erfolg (Foto: Biohof Gruber Schöfthal)





„Manchmal läuft es in der Landwirtschaft besser, manchmal schlechter“, hat Lucia gelernt. Dieses Jahr haben die beiden Landwirtinnen viel mit Unkraut zu kämpfen. Besonders bei den Zuckerrüben war jede Menge Handarbeit gefragt. „Wir haben zusammengerechnet 499 Stunden mit der Hacke im Zuckerrüben-Feld verbracht“, erzählt Marlene. „Da steht man dann schon manchmal und denkt sich: ‚Puh, lohnt sich das?‘ Als Angestellte könnten wir in der Zeit schon mehr Geld verdienen“, sagt Lucia. „Und auch bequemer“, wirft Marlene ein. „Aber man weiß einfach, dass es sich lohnt, und es macht unheimlich viel Spaß.“

Beim Unkrauthacken hatten sie tatkräftige Unterstützung von Freunden. Und die waren ganz begeistert zu sehen, wie ihr Zucker eigentlich entsteht. „Von daher macht es dann eigentlich alles wett!“, lacht Lucia.

 


Echte Begegnungen nicht zu toppen

Stolz präsentieren die beiden Schwestern ihren Followern ihr Leinsamenöl (Foto: Biohof Gruber Schöfthal)

 

„Den Selfie-Stick hätten wir uns im Normalfall wohl nie gekauft – aber dazu dann doch sehr gern“, sagt Lucia. „Das waren Betriebsausgaben“, fügt Marlene lachend hinzu.

Generell sind Lucia und Marlene mit der Entwicklung ihrer Seiten bisher sehr zufrieden. Die Rückmeldungen zu ihren Posts waren immer sehr positiv, und sie sind überrascht, wie viele Leute kommentieren oder per E-Mail schreiben.

„Negative Rückmeldungen gibt es wirklich selten. Das kommt im anonymen Internet eben vor“, sagt Lucia. Ihre Community wächst kontinuierlich. Am schönsten ist es für die Schwestern jedoch, wenn sie die Personen dann auf Führungen oder Ähnlichem persönlich kennenlernen. Dann bekommen sie das ein oder andere Mal schon zu hören, dass man sie aus den sozialen Medien kennt. „Auf der Grünen Woche in Berlin wurden wir sogar von einem YouTube-Follower erkannt und angesprochen. Das sind dann echt schöne Momente“, sind sich die beiden einig.

 

Mutmacher-Tipp: Nach Gemeinschaft suchen

Lucia und Marlene raten jungen Einsteigerinnen und Einsteigern zum Netzwerken. „Der Austausch zum Beispiel in der Bioland-Gruppe ist unheimlich wertvoll. Es macht es viel leichter, wenn jemand die eigenen Hürden kennt und selbst schon mal Rückschläge erlebt hat. Das nimmt einem die Angst und man merkt, dass man nicht allein mit seinen Problemen ist“, erinnert sich Marlene. Neben dem fachlichen Austausch schätzen sie auch den Dialog und das gemeinsame Anpacken mit der Familie und mit Freunden: „Wenn mal etwas nicht so gut läuft, sind die Antworten dann hier oft ehrlicher“, fügt Lucia dazu.

Darüber hinaus sei es das Wichtigste, sich überhaupt zu trauen und zu schauen, ob die Arbeit zu einem passt. Durch die Lösung, den Hof erst einmal von ihrem Vater zu pachten, konnten sie alles relativ locker ausprobieren. Möchten sie das Ganze überhaupt? Können sie gut zusammenarbeiten? „Wenn jemand noch keinen Betrieb hat, ist es vielleicht möglich, sich mit einer anderen Person auf einem Hof zusammenzutun“, schlägt Lucia vor. Denn: „Zu zweit oder mit mehreren ist die Arbeit nicht nur einfacher, sondern macht auch mehr Spaß.“

 

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