Aus dem Dinkel, den Bauer Blum im Westerwald anbaut, entstehen Pflanzendrinks (Foto: Marta Fröhlich)

Vom Korn ins Glas

Wie aus Dinkel ein leckerer Pflanzendrink entsteht

21.09.2020

Mitten im Westerwald wächst ein Trend heran: Dinkel, der zu Pflanzendrinks weiterverarbeitet wird. Bauer Blum baut mit viel Erfahrung das Getreide an, das erst strenge Kontrollen durchlaufen muss, bevor aus der Dinkelflocke ein Drink gerührt werden kann. Wir haben den Weg vom Korn ins Glas nachverfolgt.

Von Marta Fröhlich

Eine heiße Brise bringt die Dinkelähren zum Schaukeln. Es ist Mitte Juli, und die Sonne steht hoch über dem Westerwald. "Der braucht keine zwei Wochen mehr, wir sollten bald ernten", murmelt Gerd Blum und reibt mit kritischem Blick ein paar Körner zwischen seinen Fingern von den Spelzen frei. Der 61-Jährige baut seit fünf Jahren Dinkel nach Bioland-Richtlinien an. Acker- und Milchbauer ist er schon viel länger, die Erfahrung steckt ihm in den Fingerspitzen.

Fast bereit zur Ernte ist der Dinkel Mitte Juli (Foto: Marta Fröhlich)

 

"Dinkel ist fester Bestandteil unserer Fruchtfolge, er ist anspruchslos im Anbau, man muss nur beim Beikraut auf Zack sein", erklärt Blum und schaut zufrieden zwischen den trockenen hüfthohen Halmen seinen Acker durch. Im Gegensatz zu Roggen wächst Dinkel etwas langsamer und auch nicht so dicht, weshalb der Landwirt  gerade in den ersten Wochen das Beikraut mit mechanischen Mitteln wie dem Striegel in Schach halten muss. Dann hat das Getreide Zeit und Platz, sich gut zu entwickeln.

Diesen Dinkel der Sorte Zollernspelz, die perfekt für den Anbau im Westerwald angepasst ist, hat er bereits im Vorjahr geerntet und als Saatgut im vergangenen Oktober ausgebracht, erst Mitte August sollte eigentlich Ernte sein. Doch genug Regen und viel Sonne in den letzten Tagen haben das Getreide schneller reifen lassen als geplant.
Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Wetter: Die Pflanzen brauchen Wasser, um zu wachsen und die Körner auszubilden, jedoch im richtigen Moment auch genug Sonne, damit das Korn Stärke entwickeln und abtrocknen kann, dann aber bloß keinen weiteren Regen.  "Maximal 15 Prozent Feuchte darf das Korn noch haben, damit wir es gut einlagern können", erklärt Blum.

 

Gebündelte Vermarktungspower

Sein Getreide verkauft der Bauer nicht direkt weiter, sondern er lagert es nach dem Reinigen erst mal  eine Weile ein. Zwischen November und März - je nach Bedarf - holen es die "Kornbauern" ab. Die Vermarktungsgesellschaft kauft Rohstoffe von Bauern in der Region und verkauft sie an Mühlen oder auch - wie im Fall von Dinkelbauer Blum - an Hersteller von Pflanzendrinks weiter. Die Bündelung erleichtert Bauer Blum die Vermarktung seiner Erzeugnisse und bringt ihm auch einen besseren Preis.

Bevor die Lkws auf dem Hof in Puderbach anrollen, schickt Gerd Blum ein Muster seiner aktuellen Dinkelernte an die "Kornbauern", das im Labor auf seine Qualität untersucht wird. Im Fokus steht dabei die Stärkequalität. Mit zunehmendem Proteingehalt, der sich nach der Verfügbarkeit von Nährstoffen während des Wachstums, aber auch dem Erntezeitpunkt und der Wasserzufuhr richtet, kann das Getreide entweder als Tierfutter, für Pflanzendrinks oder sogar als Backgetreide für Brot weiterverarbeitet werden. Und genau hier spielt der Erntezeitpunkt eine entscheidende Rolle. War das Korn bereits vollreif, hat aber noch mal Regen abbekommen, hat eventuell der Kern begonnen zu keimen. Das wiederum führt dazu, dass Stärke im Kern wieder abgebaut wird, die Qualität des Getreides nimmt ab.

 

Prall gefüllt mit Proteinen, aber noch nicht gekeimt sollen die Körner sein. Da muss Bauer Blum den perfekten Erntezeitpunkt erwischen (Foto: Marta Fröhlich)

 

 

Das Getreide konnte sich gut entwickeln, auch weil Bauer Blum das Beikraut im Zaum gehalten hat (Foto: Marta Fröhlich)

 

Neben der Stärkequalität wird zusätzlich das Korn auf Rückstände wie Pilzgifte, die durch zu feuchtes Getreide entstehen können, Schwermetalle oder Pestizide analysiert. "Das ist immer häufiger eine Vorgabe der Hersteller, die das Getreide weiterverarbeiten", sagt Michael Hübl, der bei den "Kornbauern" für Ein-, Verkauf und Qualitätsmanagement von Speisegetreide verantwortlich ist, "die Suche nach Pestiziden ist ein zusätzlicher Check zur Biokontrolle. Denn im Grunde suchen wir etwas, was Biobauern eh nicht einsetzen können."

Sind alle Werte einwandfrei, können die "Kornbauern" Bauer Blum seinen Dinkel abkaufen und zum Schälen bringen. Dort werden die Dinkelkerne von den Spelzen, also den Kornhüllen befreit und je nach Bedarf zusammen mit weiteren Chargen Dinkel entweder als Kerne oder zu Flocken gepresst an Hersteller wie Natumi aus Troisdorf weiterverkauft.

So wird ein Drink draus

Wenn der Dinkel bei dem Pflanzendrink-Produzenten eintrifft, wird wieder zuerst die Qualität kontrolliert. Damit aus dem Dinkel ein Drink entstehen kann, muss er richtig gereift, gereinigt und frei von Krankheiten oder Schädlingen sein. Ist alles in Ordnung, kann es endlich losgehen.
Die Kerne werden grob zerkleinert und mit Wasser vermischt. Erst nachdem das Ganze einmal erhitzt wurde, wird der Dinkel fein vermahlen. Dann kommen natürliche Enzyme ins Spiel, die eine Fermentation in Gang bringen. Die Stärke aus den Körnern des Getreides wird dadurch abgebaut, und gleichzeitig verbessert sich der Geschmack: Der Drink wird süßlich. 

Sieht aus wie Kuhmilch, ist aber eine rein pflanzliche Alternative: der fertige Dinkeldrink (Foto: Désirée Thorn)

 

Die groben Faserstoffe, die jetzt noch in der Flüssigkeit enthalten sind, werden anschließend mit rein physikalischen Methoden entfernt, also quasi herausgefiltert. Bei Natumi wird der Drink, der jetzt noch zu 17 Prozent aus Dinkel besteht, mit etwas Sonnenblumenöl und Meersalz abgerundet, bevor er noch einmal schonend für wenige Sekunden erhitzt und schließlich abgefüllt wird. Im Glas ist Bauer Blums Dinkel zumindest optisch nicht wiederzuerkennen. Ganz im Gegensatz zum Geschmack. Aus dem Getreide ist eine fein-nussige Milchalternative entstanden – und das regional vom Korn bis zum fertigen Drink.

 

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