Bier-Sommelier Heinz Kühnlein weiß, worauf es bei einem guten Bier ankommt (Foto: Lammsbräu)

Wie schmeckt's, Herr Kühnlein?

Interview mit einem Bier-Sommelier

02.07.2015

Wenn nichts mehr in den Kühlschrank passt, dann darf das Bock-Bier ruhig draußen stehen, das Pils auf keinen Fall. "Und bitte nicht aus dem Steinkrug trinken - der ist nur für gestresste Bedienungen gut." Worauf es beim Bier ankommt, verrät Bier-Sommelier Heinz Kühnlein im Interview.

Von Magdalena Fröhlich

Herr Kühnlein, was macht ein gutes Bier aus?
Kühnlein:
Als Sommelier beschreibe und bewerte ich ein Bier anhand sieben objektiver Kriterien: Zunächst das Aussehen, also die Farbe, den Schaum, die Trübung, die Lebendigkeit und dann natürlich die Aromen und den Geschmack und wie sich das Bier anfühlt. Ob es mir schmeckt oder nicht, ist eine andere Sache: Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.

Ein Weißbier braucht ein hohes, schlankes Glas. So hält der Schaum besser und die Hefe kann sich besser am Glasboden absetzen (Foto: Imago)

 

Beschreiben Sie doch mal eines: Wie muss ein gutes Pils sein?
Kühnlein:
Ein Pils muss hell- bis strohgelb und klar sein. Es muss richtig schön glänzen, also nicht trüb sein - man muss durch das Glas durchschauen können. Dann braucht es unbedingt einen schneeweißen, stabilen Schaum, der nicht gleich zusammenfällt. Er soll also fest und feinporig sein. Außerdem muss ein Pils lebendig, spritzig sein: Ich muss die Kohlensäure im Glas perlen sehen. Wenn beides nicht stimmt, also etwa der Schaum instabil und kaum zu sehen ist und man die Kohlensäure nicht sieht, erweckt das schnell den Eindruck: Das Bier ist abgestanden. Dann muss beim Pils der Hopfen und nicht das Malz im Vordergrund stehen, der kann gerne etwas zitrusartig sein. Ein Pils soll keine ausgeprägte Malz-Note haben, eher leicht, frisch und etwas herb. Zum Vergleich: Ein Weißbier, oder auch ein Helles, braucht weniger Kohlensäure, die sind weniger spritzig. Ein Weißbier hat oft verschiedene fruchtige Aromen, zum Beispiel Anklänge von Banane, Melone, oder Aprikose. Da kommt mehr das Malz zum Vorschein. Genau wie bei einem dunklen Bier - das hat oft Aromen von Karamell, Schokolade, Kaffee oder sogar von Marzipan und Früchtebrot.

 

Was haben denn Marzipan, Karamell oder gar Früchtebrot in einem Bier zu suchen?
Kühnlein:
Nach dem Reinheitsgebot, das heißt als Zutat, natürlich nichts. Aber trotzdem gibt es im Bier diese Vielfalt an Aromen. Es ist wissenschaftlich untersucht, dass Bier bis zu 150 verschiedene Aromen entwickeln kann, bei Wein sind es nur 130. Die stecken natürlich nicht alle in einem Faß. Aber so viele Geschmacksnuancen kann es insgesamt geben - immer in verschiedenen Ausprägungen. Das alles macht nur die Kombination der verschiedenen Hopfensorten, der unterschiedlichen Hefen und der Getreidesorten aus. Diese muss der Braumeister aufeinander abstimmen. Es ist schon erstaunlich: In Deutschland gibt es rund 1.300 Brauereien mit mehr als 5.000 verschiedenen Bieren. Man kann aus wenigen Zutaten viel herausholen.

Wenn man mir mehrere verschiedene Helle zum Verkosten hinstellen würde, wäre ich mir nicht sicher, sie alle unterscheiden zu können.
Kühnlein:
Die meisten Biere schmecken leider ziemlich gleich, da die großen Brauereien ihr Bier sehr vereinheitlicht haben und vor allem auf standardisierte Hopfensorten und einen hochtechnologisierten Brauprozess statt auf Handwerkskunst setzen. Seit einiger Zeit gibt es aber wieder einen Trend weg vom Einheitsgeschmack und hin zu ausgeprägten Bieren. Man spricht auch von "Craft-Beer" und meint damit vor allem handwerklich gebraute Biere, die oft auf neue Malzmischungen, andere Hefen und verschiedene Hopfensorten setzen.

Auf gute Zutaten und ihre Dosierung kommt es an (Foto: Herpich/Bioland)

 

Also je mehr verschiedene Hopfensorten ich in ein Bier gebe, desto aromatischer ist es?
Kühnlein:
Ja, das heißt aber nicht, dass es dann auch schmeckt. Das ist wie bei einem Koch. Das Essen kann auch vorzüglich schmecken, wenn es nur leicht gesalzt und gepfeffert ist. Der Koch kann ein ganzes Gericht verhunzen, wenn er zu viel oder das falsche Gewürz hineingibt. Beim Bier muss schon alles mit dem Malz zusammenpassen. Wenn man wie etwa in Belgien oder den USA nicht nach dem bayerischen Reinheitsgebot braut, das außer Hopfen, Wasser, Hefe und Malz nichts anderes zulässt, hat man übrigens noch mehr Möglichkeiten. Da gibt es dann zum Beispiel auch Biere, die nach Austern schmecken.

Und wie machen die das?
Kühnlein:
Die Zutaten werden mitgebraut - die landen also mit im Kessel. Weltweit gibt es daher mehr als 10.000 Biere. Wenn Sie allerdings in Deutschland zum Bier noch etwas dazu mischen, also zum Beispiel die Austern oder die in Belgien beliebten Kirschen, Fruchtsaft, oder eben Zitronenlimonade wie beim Radler- dann darf man das nur noch "Bier-Mischgetränk" nennen.

 

Wenn man lieber Bier als Wein trinkt, ist man im Restaurant manchmal etwas aufgeschmissen - welches Bier passt zu welchem Essen?
Kühnlein:
Als Aperitif eignet sich zum Beispiel ein Bier-Cocktail. Das kann ein Bierol, also ein mit Pils aufgegossener Aperol sein. Pils ist sehr leicht und frisch und regt durch die Bittere auch den Appetit an. Oder servieren Sie doch mal einen Weißbier-Hugo. Da ersetzen Sie den Prosecco durch Weißbier. Als grobe Orientierung können Sie sich merken: Helle Biere eher zu leichten Essen, dunkle Biere passen besser zu dunklem Fleisch, also zum Beispiel zu Wild. Gerade Bockbiere eignen sich hervorragend zu Nachspeisen, da sie sehr kräftig und oft süßlich sind. Sie schmecken und riechen oft ein wenig nach Karamell und Schokolade. Es gibt auch immer mehr Restaurants, die neben ihrer Wein- auch eine Bier-Empfehlung auf ihre Karten zum jeweiligen Gericht schreiben.

Bier-Sommelier Heinz Kühnlein (Foto: Lammsbräu)

Zur Person

Heinz Kühnlein ist gelernter Kaufmann und hat eine Sommelier-Ausbildung absolviert. Seit 20 Jahren arbeitet der Oberpfälzer bei der Bio-Brauerei Neumarkter Lammsbräu. Dort beschreibt er als Sommelier die verschiedenen Biere und gibt unter anderem Empfehlungen an Restaurants. In den Braupozess selber mischt er sich nicht ein. Das ist Aufgabe des Braumeisters.


Wieso braucht man eigentlich für jede Bier-Sorte ein extra Glas? Die meisten Biere bekommt man doch sowieso im Krug.
Kühnlein:
Ja, der ist für die Bedienung ja auch praktisch zum Transportieren und eine leichte Maßeinheit. Und der Steinkrug hat den Sinn, dass er das Bier länger kalt hält, weil er nicht so schnell die Außentemperatur annimmt. Aber dann sehen Sie ja gar nicht, wie das Bier aussieht. Es ergibt schon Sinn, für ein Pils ein extra Pilsglas zu nehmen, sonst würde man das nicht so gut schaffen, dass darauf eine Schaumkrone von rund zwei bis drei Zentimetern über dem Glasrand steht. Außerdem betont ein schlankes Glas die Leichtigkeit des Pilses und seine Spritzigkeit, weil Sie die Kohlensäure und den Glanz gut erkennen können. Bei Bock-Bier zum Beispiel sollte Sie eher ein Glas mit einer großen Öffnung bevorzugen. Dann können Sie die ganzen Aromen viel besser riechen. Für mich ist das auch ein Qualitätskriterium - nicht nur aus ökologischen, auch aus sensorischen Gründen würde ich kein Bier aus der Dose, dem Tetra-Pack oder der Plastikflasche trinken.

Wie sieht es mit der Trinktemperatur aus? Kann die wie beim Wein den Geschmack des Bieres beeinflussen?
Kühnlein:
Bier trinkt man ja auch als Erfrischungsgetränk. Da sollte es zwischen sieben und zehn Grad kalt sein. Wenn es draußen heiß ist, auch kälter. Dunkle Stark-Biere können Sie aber auch gut bei 15 Grad trinken. Wenn also nichts mehr in den Kühlschrank passt, dann lassen Sie das Bockbier oder den Zwickel draußen stehen. Das macht gar nichts.

Darauf ein Trinkspruch!
Kühnlein:
Auch Wasser ist ein edler Tropfen - mischt man es mit Malz und Hopfen! Oder wie Benjamin Franklin mal gesagt hat: Bier ist der beste Beweis, dass Gott die Menschen liebt und will, dass sie glücklich sind. Ich würde aber sagen, ein einfaches Prost reicht vollkommen.

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