Acht Liter Eis isst jeder Deutsche durchschnittlich im Jahr - doch was im industriell hergestellten Produkt drin ist, wissen die wenigsten (Foto: vic5417/Flickr)

Kalte Verwirrung

Was steckt wirklich in unserem Speiseeis?

10.07.2018

Das Thermometer klettert, ein Eis verspricht die nötige Abkühlung. Dabei fällt die Entscheidung nicht leicht. Cremeeis, Milcheis, Fruchteis? Und was ist überhaupt der Unterschied? Versuch eines Überblicks.

Von Marta Fröhlich

Der Gesetzgeber hält sich mit Vorgaben in Sachen Speiseeis zurück. Was und wie viel ins Supermarkteis hineingehört, regeln zum größten Teil die sogenannten Leitsätze für Speiseeis - eine freiwillige Orientierungshilfe für Handel und Hersteller. Einzige bindende Vorgabe: Wo Cremeeis, Milcheis oder Sahneeis draufsteht, muss auch Milchfett drin sein. Ab dann wird’s unübersichtlich. Milcheis beinhaltet meist mindestens 70 Prozent Milch, Cremeeis nur 50 Prozent, enthält dafür aber Ei als Bindemittel. Rahm- oder Sahneeis weist einen Milchfettanteil von mindestens 18 Prozent aus verwendeter Sahne auf - und ist dadurch besonders cremig.
Hinzu kommen Angaben wie Speiseeis - für das es keine Vorgaben zum Fettgehalt gibt - oder Fruchteis, das meist nur geringe Anteile von Milch enthält, dafür aber Bestandteile aus Molke oder auch Pflanzenfett. Die Besonderheit beim Fruchteis: Ist eine Frucht auf der Verpackung abgebildet, muss sie auch drin sein. Preist der Hersteller jedoch zum Beispiel Cremeeis mit Erdbeergeschmack an, kann man davon ausgehen, dass künstliche Aromen statt echter Erdbeeren verwendet wurden.

Gibt es wirklich veganes Eis?

Sorbet ist milchfrei, doch nicht immer vegan (Foto: Imago)




Wer veganes Eis sucht, wird bei Sorbet oder Fruchteis fündig. Dabei lohnt sich ein genauer Blick auf die Zutatenliste: Eischnee sorgt auch bei Sorbet für mehr Luftigkeit, der Farbstoff Karminrot (E-Nummer 120) wird aus der Cochenille-Laus gewonnen - Cochenillerot A wird jedoch meist synthetisch hergestellt. Besondere Vorsicht gilt bei Gelatine: Sie wird als Bindemittel für Sorbets eingesetzt oder aber auch zum Klären von Fruchtsäften als Hilfsstoff - diese müssen nicht deklariert werden. Wer sichergehen will, achtet auf Vegan-Siegel.


Schaut man sich in den Tiefkühltruhen der Supermärkte um, stellt man schnell fest: Kaum einer dieser Begriffe lässt sich auf der Verpackungsfront finden. Die Hersteller locken eher mit Fantasiewörtern wie "Cremissimo" oder "Eiscreationen". Wer mehr wissen will, muss das Kleingedruckte lesen, während das Eis vor sich hin schmilzt. "Die Bezeichnung muss auf die Verpackung - meist findet man sie über der Zutatenliste", erklärt Rita Rausch von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Für diese Liste gilt: Alles, was drin ist, muss auch drauf. Alle Zusatzstoffe wie Aromen, Stabilisatoren, Bindemittel oder Konservierungsstoffe müssen möglichst detailliert benannt werden. "Der Verbraucher soll seit 2016 zum Beispiel auch die Art des Pflanzenfetts erkennen können, also ob es sich dabei zum Beispiel um Kokos- oder Palmfett handelt", so Rausch. Diese offene Deklaration führte etwa dazu, dass das ökologisch umstrittene Palmfett nach und nach aus den Zutatenlisten vieler Hersteller verschwindet.

Auch die Mengenangaben auf den Eisverpackungen verwirren. Alle Zutaten müssen drauf - und zwar in absteigender Reihenfolge bezogen auf den Anteil. Vorn steht also, was den größten Anteil ausmacht. Eigentlich eine gute Regel, die es dem Verbraucher erleichtern soll, die Mengen an Zutaten abzuschätzen. Doch hier steckt Potenzial zum Tricksen - zum Beispiel beim Zucker. Der Dickmacher versteckt sich hinter Begriffen wie Dextrose, Glucose oder Fructose. Fasst ein Hersteller alle Zuckerarten, die im Eis stecken, zusammen, rückt der Zucker automatisch in der Zutatenliste nach vorn, teilt er den Zucker in die verwendeten Unterarten auf, lässt sich die Gesamtmenge kaschieren. "Das führt schon zu einem gewissen Verwirrspiel", findet auch Rausch. Doch leider seien die Rezepte heute sehr komplex, und die Produktionsbedingungen - zum Beispiel spezielle Maschinen - erforderten teilweise auch unterschiedliche Zuckerarten.

 

Die Qual der Wahl an der Tiefkühltruhe (Foto: Imago)

 

Von derartigen Tricksereien hält Bio-Eishersteller Dirk Roddewig nichts. Der Unternehmer aus Illmensee in der Nähe des Bodensees setzt bei seinem Produkt allein auf regionalen Bioland-Rübenzucker. "Das ist für den Verbraucher besonders transparent", erklärt er. Natürlich habe sein Eis auch schon mal eine andere Konsistenz - schon allein, weil er in seinen Rezepturen auf Stabilisatoren oder synthetische Bindemittel verzichte. Deshalb kann Roddewig auch keine hochmodernen Industriemaschinen verwenden und produziert weiterhin traditionell handwerklich. "Doch das macht nichts", findet er, "wir sind klein und fein, passen in unsere Nische." Dafür bekommt der Verbraucher ein reines Bioprodukt mit einer kurzen Zutatenliste, die für ihn klar verständlich ist.

Ein größeres Problem als das Zutatenkauderwelsch sind für Rita Rausch von der Verbraucherzentrale aber die Gesamtmengenangaben auf den Eisverpackungen. Die Krux: Obwohl bereits europaweit anders üblich, können Hersteller, die für den deutschen Markt produzieren, die Eismenge statt in Gewicht in Volumen angeben. Die Folge: In die Eismasse wird unverhältnismäßig viel Luft hineingeschlagen - bis zu 150 Prozent -, um so mehr Volumen mit weniger Zutaten zu erzeugen. Erklärt wird diese Praxis mit der besonderen Cremigkeit.

Und auch bei den Angaben des Nährwerts sieht die Expertin Verbesserungsbedarf. "Die Portionen, die angegeben werden, sind so unterschiedlich, dass der Verbraucher sie kaum miteinander vergleichen kann", berichtet sie. Deshalb plädiert sie für eine Farbampel, die auf einen Blick den Nährwert klarmacht. "Wobei die Verbraucher schon ganz klar wissen: Eis ist eine Süßigkeit - und sollte in Maßen genossen werden." Doch zur Abkühlung ist ein Eis allemal erlaubt. Hauptsache, es schmeckt!

Wie erkenne ich eine gute Eisdiele?

Eine gute Eisdiele erkannt man am möglichst kleinen Angebot. Sonst stellt sich die Frage: Wie kann man Dutzende Sorten frisch produzieren und frisch halten? Flach in die Kühlwannen gestrichene Masse statt kunstvoll aufgetürmter Eisberge deutet auf hausgemachtes Eis hin. Gute Eisdielen bieten Milcheis und Fruchteis an, kein Speiseeis, denn das enthält Pflanzenfett. Ein Drittel aller Eisdielen - etwa 2200 Verkaufsstellen - in Deutschland sind im Verband Uniteis e.V. organisiert. Die Mitglieder haben ihr Handwerk in Italien gelernt, seit 2008 geht das auch in einer zweijährigen Ausbildung in Deutschland. Ihr Credo: möglichst natürliche Zutaten, kein Pflanzenfett. Uniteis-Mitglieder erkennt man am Verbandslogo an der Tür - einer Waffel mit drei Kugeln.

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